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30 Stellen reden mit: Wenn der Bauherr zum Statisten wird

05.06.2025 Mischa Hauswirth

Baugesuche Bei komplexen Bauverfahren sind oft Dutzende von Fachgremien involviert. Unklare Zuständigkeiten und langwierige Prozesse verursachen enorme Planungskosten.

Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft hat auf eine Interpellation von FDP-Landrätin Christine Frey zur Komplexität und Dauer von Baubewilligungsverfahren mit einem neunseitigen Schreiben geantwortet. Die Ausführungen geben tiefe Einblicke in ein System, das sich über Jahre zu einer vielstufigen Entscheidungsmaschinerie entwickelt hat, Kritiker reden auch von einer bürokratischen Planungskrake – die vielen Regeln und Vorschriften haben weitreichende Folgen für Investoren, Planer und Bauherren. Bis zu 30 kantonale und bundesnahe Fachstellen sind an komplexen Bauprojekten beteiligt. Der Investor hingegen kann dagegen nichts tun und muss sich in Geduld üben.

Schon bei mittleren Bauvorhaben kann es laut der Regierung zu einer Beteiligung von 20 kantonalen Stellen kommen. In komplexeren Fällen sei mit 25 bis 30 Mitwirkenden zu rechnen – darunter etwa das Amt für Raumplanung, das Tiefbauamt, das Amt für Wald und Naturgefahren oder auch die kantonale Denkmalpflege. Hinzu kommen Bundesstellen wie das Bundesamt für Verkehr oder die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission.

Was nach Sorgfalt klingt, wirkt in der Praxis wie ein Pingpong-Spiel ohne Ende. Jede Projektanpassung, jede Rückmeldung kann neue Prüfungsschlaufen auslösen – oft mit denselben Stellen. Der Regierungsrat räumt ein, dass Rückkoppelungen aus Planung, Politik und Rechtspflege den Prozess weiter verzögern. Selbst das Warten auf eine Gemeinderatssitzung kann Fristen sprengen. In einem Fall belief sich die Genehmigungsdauer inklusive Einsprache- und Beschwerdeverfahren auf 75 Monate. Für FDP-Landrätin Christine Frey ist diese Entwicklung symptomatisch: «Wenn 30 Stellen an einem einzigen Projekt mitschreiben, ist klar, dass der Bauherr zum Getriebenen wird. Wer investieren will, braucht Verlässlichkeit – kein Labyrinth aus Amtsmeinungen.»

Dabei ist die Verantwortung der Bauinspektorate im kantonalen Raumplanungs- und Baugesetz (RBG) klar geregelt: Sie koordinieren, prüfen auf Einhaltung des kantonalen Rechts und fällen die Entscheide. Doch je mehr Stellen beteiligt sind, desto stärker verlagert sich das Gewicht auf die inhaltliche Ebene. Die kantonale Verwaltung verweist ihrerseits denn auch auf gesetzlich verankerte Fachkompetenzen der Mitwirkenden. «Fachstellen haben somit einen massgeblichen Einfluss auf die Gestaltung eines Bauprojekts und nicht der Bauherr oder Investor», sagt Frey.

Weitere Regeln geplant
Mit dem Versprechen von mehr Effizienz wurde 2019 als technische Lösung die digitale Plattform «eBaugesuchBL» eingeführt, um Verfahren zu vereinfachen. Doch der Effekt blieb aus. Noch immer werden zahlreiche Dokumente zusätzlich in Papierform verlangt, und viele Fachstellen bearbeiten Baugesuche auf analogen Wegen. Frey hat die Ineffizenz bereits mehrfach kritisiert, und selbst der Regierungsrat räumt ein, dass sich die digitale Bearbeitungszeit nicht signifikant verkürzt habe.

Hinzu kommt eine neue Entwicklung: In Zukunft sollen Baugesuche nur noch von professionellen Planungsbüros eingereicht werden dürfen. Laut Regierungsrat ist das notwendig, weil unvollständige oder fehlerhafte Gesuche zu massiven Verzögerungen führten. Die Zahl solcher Dossiers sei gestiegen – eine Konsequenz des offenen Systems, in dem bisher auch Laien einreichen konnten. Ein Akkreditierungssystem für Planungsbüros ist in Vorbereitung.

Der Personalbestand im kantonalen Bauinspektorat wurde in den vergangenen zwölf Jahren erhöht – von 27,4 auf 29,3 Vollzeitstellen. Dennoch gelingt es den Behörden nach wie vor nicht, mit dem wachsenden Bauvolumen Schritt zu halten.

Auch wenn die Regierung in ihrer Antwort betont, dass die Verfahrensdauer im nationalen Vergleich nicht aus dem Rahmen falle, so wirft die hohe Zahl der mitwirkenden Fachstellen sowie die fehlende Trennung von Sach- und Fachverantwortung Fragen auf. Christine Frey sieht im aktuellen Zustand ein strukturelles Problem: «Das Verfahren ist nicht mehr transparent steuerbar. Es fehlt eine zentrale Verantwortung, die das Ganze orchestriert. Am Schluss bleibt niemand rechenschaftspflichtig – ausser dem Bauherrn, der das alles bezahlen muss.» Ganz grundsätzlich seien zu viele Stellen involviert, sagt die Landrätin.

Diskussion unbedingt notwendig
Eine Verfahrensbeschleunigung sei nur durch umfassende Verfahrensänderungen auf Gesetzesstufe oder durch den Rückbau von Beteiligungsrechten erreichbar, so die Regierung, und beides sei politisch schwer durchsetzbar.

Doch genau diese politische Debatte wolle man mit ihrer Interpellation auslösen, sagt Frey: «Wir dürfen nicht länger hinnehmen, dass der Staat jedes Projekt in Dutzende Einzelteile zerlegt und dann blockiert, weil niemand mehr den Überblick hat. Es braucht eine neue Balance zwischen Schutzinteressen und Baufreiheit.»